Späteinsteiger:
Mit Ü40 nochmal in die Ausbildung
Im Team der Caritas ambulante Dienste GmbH gibt es immer mehr Pflegekräfte, die den Pflegeberuf erst spät für sich entdeckt haben.
Eine längere Familienphase, knifflige Lebensumstände oder einfach der Wunsch nach einem Richtungswechsel – Gründe für eine Pflegeausbildung in der Lebensmitte gibt es viele. Bei den ambulanten Diensten der Caritas sind Auszubildende ab 40 und älter keine Seltenheit. Im Gegenteil, Quereinsteiger wie sie, die schon fest im Leben stehen, sind bei der Caritas höchst willkommen, denn beim täglichen Umgang mit pflegebedürftigen Menschen ist ein Mehr an eigener Lebenserfahrung immer ein Vorteil.
Irina Geringer hat mit 41 Jahren gerade ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft in der Sozialstation Ennigerloh begonnen. „Meine Kinder ziehen mich manchmal damit auf, dass ich jetzt wieder zur ‚Schule‘ gehe“, berichtet sie. Beide seien mit 19 und 20 gerade selbst in der Ausbildung. Generell seien sie aber stolz auf ihre Mutter, die noch einmal einen Neuanfang gewagt habe. Vierzehn Jahre lang hatte Geringer in einer Polsterei als Näherin gearbeitet, bevor sie zunächst als Reinigungskraft in die Sozialstation in Ennigerloh kam. In Gesprächen mit den Pflegefachkräften vor Ort gewann sie Mut und Zuversicht und beschloss für sich: „Das traue ich mir zu, das kann ich auch.“
Seit einigen Wochen geht sie jetzt zusammen mit verschiedenen Caritas-Pflegekräften in Ennigerloh auf Tour. „Bislang schaue ich nur zu und helfe“, erzählt sie. Nach und nach könne sie immer mehr Aufgaben selbständig übernehmen. Geringer mag das Unterwegssein und die Abwechslung in ihrem neuen Beruf. „Früher saß ich immer an der Nähmaschine und hatte kaum Kontakt zu anderen Menschen, das ist jetzt ganz anders.“
Austausch mit anderen Azubis gibt es für sie aktuell leider kaum, denn der Präsenzunterricht an der Pflegefachschule musste Corona-bedingt bisher ausfallen. Stattdessen gibt es Arbeitsblätter für zuhause. Auch die Formate „Train-the-Brain“ und das „Azubi-Forum“ innerhalb der Caritas ambulante Dienste GmbH fallen derzeit aus. Schade, aber bei Fragen könne sie sich jederzeit an ihren Pflege-Praxisanleiter wenden, so Geringer.
Karriere nach der Familienphase
Cornelia Chemnitz, heute stellvertretende Leiterin der Caritas-Sozialstation Harsewinkel, stieg mit 44 Jahren neu in den Pflegeberuf ein. Über ein Praktikum, das Teil eines Kursus zur Pflegeassistentin war, kam sie mit dem ambulanten Pflegedienst in Berührung. Anfang 2011 folgte dann das Angebot von Stationsleiterin Monika Brockmann als Pflegehilfskraft ins Caritas-Team zu kommen. „Als Hilfskraft sind die Einsatz- und Weiterbildungsmöglichkeiten aber leider sehr begrenzt, weshalb ich 2014 mit 47 Jahren mit der Ausbildung zur Altenpflegerin angefangen habe,“ berichtet sie.
Damit ging ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung, denn eigentlich wollte Chemnitz schon als Jugendliche am liebsten Krankenschwester werden. „Das ging damals wegen meiner Neurodermitis-Erkrankung aber nicht“, erinnert sie sich. Für Mädchen auf dem Land waren die beruflichen Möglichkeiten damals sehr begrenzt. „Krankenschwester, Friseurin oder Bürokraft waren die klassischen Berufe.“ Chemnitz lernte Industriekauffrau, fand jedoch nach ihrer Ausbildung keinen Arbeitsplatz. „Beim Arbeitsamt wurde mir als verheiratete Frau geraten, doch in die Familienplanung einzusteigen, denn Stellen seien rar gesät.“
Chemnitz bekam drei Kinder – aber natürlich nicht, weil das Arbeitsamt das empfohlen hätte. Neben dem Vollzeitjob als Familien- und Haushaltsmanagerin ging sie dann, wie so viele Frauen nicht nur ihrer Generation einer „bezahlten geringfügigen Beschäftigung“ nach. Als die Kinder erwachsen wurden, wollte sie wieder „richtig“ arbeiten, aber nicht mehr im erlernten Beruf. Denn: „Ich hatte zusammen mit meiner Mutter meine Großmutter gepflegt, und ich habe mich immer schon gern um andere Menschen gekümmert“, erklärt sie. Also wollte sie sich die professionelle Pflege anschauen und prüfen, ob das was für sie wäre.
„Ich bin sehr froh, dass ich mein Praktikum damals in der ambulanten Pflege gemacht habe und so den Weg in den Pflegeberuf gefunden habe“, berichtet Chemnitz. Denn anders als in stationären Alten- und Pflegeeinrichtungen können Pflegekräfte im ambulanten Dienst viel eigenständiger arbeiten, die vorgegebenen Strukturen sind dort viel flexibler. Noch ein Vorteil: „Wir können uns auf den einzelnen Menschen wirklich konzentrieren und auf seine individuellen Wünsche eingehen. In Heimen ist man immer parallel für mehrere, manchmal auch zu viele Bewohner zuständig.“
Rasanter Aufstieg
Auf Grund ihrer Vorkenntnisse und des eigenen Willens konnte Cornelia Chemnitz die sonst dreijährige Ausbildung zur Altenpflegerin auf zwei Jahre verkürzen. Schon kurz nach dem Examen wurde sie in ihrer Sozialstation mit den Aufgaben einer „bezirksverantwortlichen Pflegefachkraft“ betraut. Wiederum nur kurz darauf absolvierte sie die Zusatzausbildung zur Pflegedienstleiterin. Nunmehr vertritt sie als stellvertretende Leiterin der Sozialstation Harsewinkel ihre Chefin Monika Brockmann. „Heute bin ich nicht mehr auf Pflege-Tour, sondern habe verwaltende und organisatorische Aufgaben innerhalb der Station. Eine Herausforderung ist immer, einen verlässlichen und möglichst familienfreundlichen Dienstplan zu erstellen. Ansonsten ist mein Tagegeschäft bestimmt von Beratungen rund um die Pflege, von Erstgesprächen bei Neuaufnahmen, ich kümmere mich um das Thema „Lob und Kritik“ und um die Tourenplanung.“ Auch das Verordnungsmanagement bei medizinischen Leistungen und Rezepten liegt bei ihr und bringt viele Kontakte zur Ärzteschaft und zu den Krankenkassen mit sich. Darüber hinaus führt Chemnitz Dienstbesprechungen und Schulungen im Team durch, und entscheidet zusammen mit ihrer Chefin über Neueinstellungen.
Eine Arbeit als Pflegefachkraft im ambulanten Dienst kann sie aus eigener Erfahrung heraus also uneingeschränkt empfehlen. „Man bekommt in diesem Beruf unglaublich viel zurück. Man kann eigenständig arbeiten und sehr individuell auf jeden einzelnen eingehen.“ Und Chancen auf Karrieren nutzen.
„Wir als Sozialunternehmen bekommen aber auch ganz viel von Menschen wie Frau Chemnitz zurück, und wir sind sehr dankbar sehen und zeigen zu dürfen, dass Pflegeausbildung und Karriere in der Pflege unabhängig vom Alter immer möglich sind“, freut sich Geschäftsführer Weber.